Die Tragödie
 Home
 Personal
Click here to leave

leerstelleHans-Dieter Gelfert, Die Tragödie. Theorie und Geschichte. Vandenhoeck & Ruprecht 1995, 175 pp. (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1570)

deusmlPreis und Verfügbarkeit bei amazon.de prüfen - hier klicken!

 

Was ist das Tragische an einer Tragödie? Und warum tritt `das Tragische´ in der Literaturgeschichte nur zu bestimmten Zeiten, dann jedoch in dichter Häufung auf, während es dazwischen lange Zeiträume gibt, in denen keine Tragödien geschrieben wurden? Diese beiden Fragen sind der Ausgangspunkt für die in diesem Band vorgelegte Theorie der Tragödie. Aristoteles definierte die Tragödie als eine Handlung die durch Erregung von phobos (Schrecken) und eleos (Jammer) eine lustvolle kathartische Entlastung bewirkt. Dazu bedarf es eines Helden, der weder ein Heiliger noch ein Verbrecher sein darf; denn im ersten Fall würde der Zuschauer großen Schrecken empfinden, würde sich dann aber nach der Katastrophe nicht kathartische befriedigt fühlen; im zweiten Fall würde er den Sturz des Helden zwar mit Befriedigung quittieren, könnte aber für den Verbrecher keinen phobos entwickeln. Die Tragödie bewirkt demnach eine ambivalente Reaktion im Zuschauer: sie läßt ihn um den Helden fürchten und bereitet ihm danach mit dessen Sturz emotionalen Genuß. Wie muß nun eine Gesellschaft beschaffen sein, damit ein Verlangen nach solcher Ambivalenz aufkommen kann? In einer aristokratischen Gesellschaft wird man um den Helden, von dessen Führungskraft die ganze Gemeinschaft abhängt, zwar fürchten, doch sein Tod wäre Anlaß zu anhaltender Klage, nicht zu kathartischer Entlastung. In einer egalitären Gesellschaft würde umgekehrt der Sturz jedes herausragenden Helden mit Befriedigung aufgenommen, doch man wird vorher nicht zu ihm aufschauen und bewundernd um ihn fürchten. Tragödien sind demnach dort zu erwarten, wo eine aristokratische in eine egalitäre Gesellschaft übergeht, wo also Bewunderung für den Helden noch aufgebracht wird, während Befriedigung über seinen Sturz schon empfunden wird. Genau dies ist der Fall im Athen des Perikles, wo die Aristokratie der Demokratie zu weichen begann, und im England des elisabethanischen Zeitalters, wo das Unterhaus gegenüber dem aristokratischen Oberhaus die politische Initiative gewann. Es war auch der Fall in Deutschland, hier aber über einen langen Zeitraum hinweg vom aufgeklärten Absolutismus bis hin zur Weimarer Republik. Deshalb gab es hier von Lessing bis Gerhart Hauptmann ein anderthalb Jahrhunderte währendes Ringen um die Tragödie, während sie aus der englischen Literatur nach dem Bürgerkrieg nur noch in ihrer untragischen klassizistischen Form fortlebte. Der Verfasser sieht die Stärke seiner im beschriebenen Band vorgelegten Theorie vor allem darin, daß sie nicht nur das Aufkommen, sondern auch das Ausbleiben von Tragödien erklärt. Deshalb enthält das Buch auch ein Kapitel über das “Untragische Amerika”, das sich selbst so versteht.

Siehe auch:

[Home] [Personal]

(c) 2004 by Axel Gelfert
Impressum & Haftungsausschluss
: siehe Hinweis auf Homepage www.gelfert.net
Legal Disclaimer
: visit link on our homepage www.gelfert.net

This website is (c) 2002 by Axel Gelfert